Die Rede von Olaf Scholz auf dem Nominierungsparteitag

Die Rede im Wortlaut:
Liebe Genossinnen und Genossen!

Am 20. Februar des nächsten Jahres finden in Hamburg Neuwahlen statt. Neun Jahre CDU-Regierung in Hamburg gehen dann zu Ende. Schwarz-Grün ist schon zu Ende.

Die Ursache für diese Entwicklung ist offensichtlich: die Hamburgerinnen und Hamburger wollen endlich wieder ordentlich regiert werden. Das trauen Sie denen, die heute regieren, nicht mehr zu. Und das erwarten sie von uns. Diese Erwartungen werden wir nicht enttäuschen.

Die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, wo es lang gehen soll. Sie wollen nicht die schon fast rituellen Bekenntnisse des Bürgermeisters hören,  einen Fehler gemacht zu haben. Gefolgt stets von der Ansage nunmehr alles besser machen zu wollen.

Das ging los mit der Berufung von Senatoren, deren Kompetenz weithin angezweifelt wurde.

Das setzte sich fort über das Desaster bei der Kulturpolitik, im Umgang mit Schauspielhaus, Bücherhallen und dem Altonaer Museum.

Sich für die Zeitschrift „Bunte“ im Hotel Vier Jahreszeiten wie ein Stadtmonarch abbilden zu lassen, war nach neuer Einsicht des Bürgermeisters ein Fehler.

Und den Herrn Frigge als Finanzsenator erneut ins Amt berufen zu haben, war auch ein Fehler. Und so weiter. Und so weiter.

Pragmatismus und Seriosität müssen wieder das Handeln des Hamburger Senates bestimmen. Das wünschen sich die Hamburgerinnen und Hamburger.

Das muss Folgen haben für die Senatspolitik, die wir verantworten wollen. Und es hat Folgen für das Regierungsprogramm, das wir vor der Wahl beschließen werden.

Wir wollen nur vorschlagen, was auch realistisch umgesetzt werden kann. Hamburg hat genug von nicht zu Ende gedachten Plänen.

Es geht um ein Programm für eine Regierung. Und es geht nicht um das Wünschbare, sondern um das Machbare.

Realistische Politik ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt wieder Vertrauen in die politischen Institutionen Hamburgs gewinnen. Vertrauen entsteht nur, wenn politische Versprechen eingehalten werden.

Es muss Schluss damit sein, dass die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie einem Politiker zuhören, immer überlegen, wieviel sie davon abrechnen müssen. Darum muss für uns gelten: Was wir versprechen, das halten wir auch.

Sich auf das Machbare zu konzentrieren, heißt nicht auf Visionen zu verzichten. Wir wollen Hamburg ja nicht nur verwalten, sondern voranbringen. Das gilt auch in Zeiten finanzieller Restriktionen.

Es geht um einfache Grundsätze: Vernunft, Klarheit, Verlässlichkeit und immer auch Gerechtigkeit.

Diese Grundsätze haben nicht nur wir, sondern auch die meisten Hamburgerinnen und Hamburger in den letzten Jahren sehr vermisst.

Aber jetzt erleben wir ein merkwürdiges Schauspiel. Die Grundsätze gelten bei der CDU nicht einmal für die Bewertung der eigenen Regierungsbilanz. In diesen Tagen verfolgen wir hektische Kurswechsel bei der CDU. Plötzlich ist falsch, was eben noch richtig war. Plötzlich ist richtig, was eben noch falsch war. Die CDU verspielt mit diesem Vorgehen, den Rest des Vertrauens, das ihr noch verblieben ist.

Die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs müssen doch den Eindruck gewinnen, dass sie vom Senat und der CDU nicht ernst genommen werden. Und viele denken, dass, wer so plötzlich seine Haltungen wechselt, das auch in Zukunft tun wird.

Außerdem: Eine gewisse Beliebigkeit hat den Regierungsstil der CDU-Senate von Anfang an begleitet. Das lebt jetzt ein Herr in Rio, der erst ein gern gesehener Koalitionspartner war. Gut, dass er rausgeschmissen wurde. Schlecht, dass man erst so viel von ihm hielt. Wir haben das nicht vergessen.

Eins muss ich hier aber auch loswerden:
Ich glaube, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich zugebe, dass die Hamburger SPD kein Ole von Beust-Fanclub ist. Auch kein heimlicher. Aber wie die Hamburger CDU mit ihrem ehemaligen Spitzenmann umgeht, das ist schäbig.

Peinlich finde ich es auch, wenn die CDU und ihr neuer Spitzenmann nun für alle Schwierigkeiten, die GAL in Haftung nehmen. Wir sind auch kein GAL-Fanclub. Aber so einfach kann man sich die Sache nicht machen. Die CDU-Senate haben schon vorher manches nicht auf die Reihe gekriegt.

Und das wissen in Hamburg auch alle. Das Desaster um die HSH Nordbank, die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie gehen alleine auf Kosten der CDU.

Hamburg hat  nicht nur eine sozialdemokratische, sondern auch eine sozialliberale Tradition. Wer sich die Hamburger FDP und wer sich die deutsche FDP und ihren Vorsitzenden  anschaut, der kommt nicht umhin festzustellen: Die Hamburger SPD ist auch die Alleinerbin dieser sozialliberalen Tradition. Ich fühle mich auf diese Tradition verpflichtet.

Wer von außen auf Hamburg schaut, stellt sich immer noch eine wirtschaftlich starke und gleichwohl solidarische und liberale Stadt vor. Das über Jahrzehnte ein solches Bild von Hamburg in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands entstanden ist, daran haben Generationen von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mitgewirkt.

Mich hat dieses Bild von Hamburg geprägt.

Meine Eltern stammen von hier. Ich bin hier aufgewachsen – abgesehen von den ersten  Jahren als  ich  und meine beiden Brüder geboren wurden. Darauf wurde jüngst hingewiesen. Ich bin hier zur Schule gegangen, habe hier studiert und 13 Jahre als Anwalt gearbeitet. Ich bin hier in die SPD eingetreten. Und das wichtigste, ich habe mich hier unsterblich meine Frau verliebt.

So ist mein Hamburg. Und ich will, dass das Bild das in meinem Kopf und in der Vorstellung Vieler von Hamburg existiert, wieder mit dem Hamburg, in dem ich lebe, übereinstimmt. Hamburg soll wieder die wirtschaftlich starke, solidarische und liberale Stadt werden, die ich kenne.

Und darum will ich Hamburger Bürgermeister werden!

Und ich will die Erfahrungen für Hamburg einsetzen, die ich im Laufe meines Lebens bisher machen konnte: als Anwalt, als Abgeordneter im Deutschen Bundestag, als Senator, als Bundesminister.

Und ich will nach den Prinzipien handeln, die für eine gute Regierung unerlässlich sind: Vernunft, Klarheit, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit gegenüber jedermann.

Damit das gelingt, brauchen wir ein starkes Votum für die SPD. Nur mit der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt im Rücken, können wir gute Politik durchsetzen.

Es sieht danach aus, dass uns das gelingen kann. Nach den Umfragen dürfen wir auf über 40% der Stimmen hoffen. Das ist viel. Und wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass am Wahltag auch tatsächlich so viel Unterstützung für uns vorhanden ist.

Klar ist aber auch: Auch wenn das viele Stimmen sind, werden wir wohl einen Koalitionspartner benötigen. Und da haben wir unsere Präferenz schon lange deutlich gemacht. Das soll dann die GAL sein. Mit der sind wir auch nicht immer einig. Aber wir haben mit dieser Partei die meisten Schnittmengen.

Über eines sind sich die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs ziemlich einig, wenn sie die Arbeit des CDU Senates bewerten: Die können nicht mit Geld umgehen.

Jeder weiß das an anderen Beispielen festzumachen. Kein Wunder, die Liste der Beispiele ist lang. Das Unverständnis für das Haushaltsgebaren der CDU Senate fassen die meisten mit den Worten zusammen: „…und dafür haben sie Geld!“

In den letzten Jahren, und nicht nur den schwarz-grünen Jahren, war der Umgang mit dem öffentlichen Geld fahrlässig. Der Hamburger Senat hat über die Jahre viele Milliarden mehr ausgegeben als eingenommen und den Grundsatz missachtet: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Sparsamkeit ist immer angesagt, auch dann wenn die öffentlichen Einnahmen sprudeln. Wer sparsam ist, muss nicht alle paar Jahre ein Sparprogramm auflegen.

Wie sehr Hamburg ein strukturelles Problem im Haushalt hat, sehen wir gerade jetzt, wo die bessere wirtschaftliche Entwicklung uns auf höhere Steuereinnahmen hoffen lässt. Das strukturelle Defizit ist nicht verschwunden.

Wir müssen uns auf die Schuldenbremse im Grundgesetz einstellen. Am Ende der übernächsten Legislaturperiode der Hamburgischen Bürgerschaft darf Hamburg keine neuen Schulden mehr machen.

Das muss die Haushaltspolitik aber schon jetzt bestimmen. Wir können nicht weiter über unsere Verhältnisse leben und dann plötzlich Ausgaben zusammen streichen. Das hätte auf unser Gemeinwesen einen ähnlichen Effekt wie ein „kalter Entzug“.

Und deshalb bin ich auch dafür, dass wir eine Finanzplanung bis zum Ende der übernächsten Legislaturperiode entwickeln. Manches Projekt kann dann viel realistischer bewertet werden, als wenn Haushaltspolitik nach dem Motto gemacht wird, dass schon alles gut gehen wird. Wir wissen heute von ganzen Staaten, dass man sich darauf nicht verlassen kann.

Hamburg muss also zugleich den öffentlichen Haushalt konsolidieren und neue Aufgaben anpacken. Das ist die Herausforderung, die sich uns stellt. Diese Herausforderung können wir nur bewältigen, wenn wir den richtigen Prinzipien folgen.

Die Haushaltspolitik sollte sich an dem „Pay as you  go“-Modell orientieren, dass der amerikanische Präsident Clinton und der amerikanische Kongress miteinander vereinbarten und praktizierten. In zwei Amtszeiten des Präsidenten gelang es so den verschuldeten amerikanischen Haushalt soweit zu sanieren, das schon über die Verwendung künftiger Überschüsse diskutiert wurde. Clintons Nachfolger warf alle diese Grundsätze über Bord mit den bekannten dramatischen Folgen für den US-Haushalt.

Ich will, das Hamburg zum Vorbild für finanzpolitische Solidität wird.

Wo in Hamburg dringend etwas zu tun ist, das wissen – abgesehen vom Senat, wie es scheint – alle: Wirtschaft und Hafen, Wohnungsbau, die Zukunft unserer jungen Leute von der Kita über die Schule bis zu Berufsabschluss und Universität, die innere Sicherheit und die Kultur. Und Klimapolitik ist nicht nur wichtig, weil Hamburg im nächsten Jahr Umwelthauptstadt sein wird.

Übrigens: dass die Baustellen der Senatspolitik, die Probleme unserer Stadt, allen geläufig sind, ist nicht von ungefähr gekommen. Das hat auch etwas mit kluger, kompetenter und hartnäckiger Arbeit unserer Abgeordneten der Bürgerschaft zu tun. Deshalb: Danke Michael Neumann und Fraktion.

Früher wurde oft vom Bündnis von Kaufmannschaft und Arbeiterschaft gesprochen. So einfach ist die Welt heute nicht mehr.

Aber dass uns die Entwicklung der Hamburger Wirtschaft und ganz besonders des Hamburger Hafens wichtig ist, dass ist bis heute geblieben. Und es ist auch immer noch richtig.

Wie wenig Leidenschaft war und ist bei den CDU-Senaten zu spüren wenn es um den Hamburger Hafen ging und geht. Wie konnte es passieren, dass in einem Koalitionsvertrag vereinbart wurde, dass der Hafen sich selber finanzieren müsse. Wenn man das Steueraufkommen der mittelbar und unmittelbar mit dem Hafen zusammenhängenden Wirtschaft unserer Stadt zugrunde legt, dann stimmt die Beschreibung natürlich: Die öffentlichen Einnahmen aus diesem Wirtschaftszweig übersteigen bei weitem die öffentlichen Infrastrukturkosten.

Aber es war falsch, nicht – wie bei allen anderen vergleichbaren Häfen und wie immer in der Geschichte Hamburgs – auch öffentliches Geld für die Infrastruktur des Hafens einzusetzen. Mittlerweile haben CDU und GAL das auch eingesehen und sich von dem ideologischen Konzept „Hafen finanziert Hafen“ wieder verabschiedet. Ziemlich spät.

Natürlich besteht die Hamburger Wirtschaft nicht nur aus dem Hafen. Aber auch da haben viele Unternehmen und viele Unternehmer in den letzten Jahren das notwendige Engagement für die wirtschaftlichen Grundlagen unseres Wohlstandes vermisst. Ich bleibe dabei: Wir werden vom wirtschaftsfeindlichsten Senat seit 1946 regiert.

Wir werden uns um die ganze hamburgische Wirtschaft kümmern, den Mittelstand und die großen Unternehmen, die Industrie, die Luftfahrt, Schifffahrt, maritime Industrien, Handel, Logistik, IT,  Medien, Life Sciences einschließlich der Gesundheitswirtschaft, erneuerbare Energien, Finanzwirtschaft. Naheliegend ist es, wenn Hamburg als die Stadt mit Schwerpunkten bei Handel und IT auch die Hauptstadt des E-Commerce wird.

Überhaupt müssen wir uns um die Fragen der digitalen Gesellschaft kümmern. Da entstehen auch neue Beschäftigungsformen.  Da entstehen viele neue Unternehmen. Was der Senat nicht weiß: ein StartUp hat am Anfang meist nicht viel Geld. Das soll ja erst gelingen. Mit den hohen Mieten vertreibt der Senat auch Hamburgs künftige Unternehmer.

Wir werden uns wieder um Hamburgs Wirtschaft kümmern. Denn wir wissen, unser Wohlstand hängt an der wirtschaftlichen Entwicklung. Hamburg muss auch in Zukunft eine wirtschaftsstarke Metropole in Deutschland sein. Auch die solidarische Stadt lebt davon.

Und eins wissen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch genau: wer die Arbeit schätzt, muss auch diejenigen schätzen, die arbeiten. Und darum habe ich mich als Bundesminister dafür eingesetzt, dass die Unternehmen in der schweren Wirtschaftskrise, die nun fast hinter uns liegt, nicht als allererstes viele ihrer Beschäftigten entlassen. Mit der massiven Förderung der Kurzarbeit haben hunderttausende, vielleicht eine Million Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz behalten. Das war sozialdemokratische Krisenbewältigungspolitik.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen in Hamburg für wirtschaftliches Wachstum, für eine starke Wirtschaft.

Zugegeben, mit der „Wachsenden Stadt“ hatte der Beust Senat in seinen Anfangsjahren einen Begriff geprägt, der auch das Handeln der sozialdemokratisch geführten Senate vor ihm auf den Punkt brachte. Denn Hamburg wuchs ja auch vor 2001 gegen den Bundestrend.

Die größte Herausforderung der kommenden Jahre wird es zweifellos sein, dafür zu sorgen, dass alle jungen Leute in unserer Stadt sich so gut entwickeln, dass sie später auf eigenen Füßen stehen und ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, selbstständig durch das Leben gehen können. Und damit ist keineswegs nur wirtschaftliche Selbstständigkeit gemeint.

Heute ist das nicht so. Viel zu viele verlassen die Schule ohne einen Schulabschluss. Noch viel mehr erhalten zwar eine Abschlussbescheinigung, verfügen aber über so wenig Bildung, dass viele Unternehmen sie nicht für ausbildungsreif halten. Und am Ende bleibt fast ein Fünftel jeder Generation ganz ohne Berufsabschluss. Trotz des absehbaren Fachkräftemangels werden die meisten aus dieser Gruppe auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft ohne große Chancen bleiben.

Wir dürfen uns mit diesem Zustand niemals abfinden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nehmen nicht hin, dass so viele Bürgerinnen und Bürger dauerhaft auf Hilfe angewiesen bleiben. Wir brauchen eine neue große Anstrengung, Bildung und Entwicklungsmöglichkeiten der künftigen Generationen zu verbessern. Es geht um deren Zukunft. Aber es geht auch um unser aller Zukunft.

Wir brauchen Eltern und wir brauchen Erzieher und Lehrer, die sich mit ganzem Herzen für die jungen Leute engagieren. Ich weiß das. Ich bin in die Grundschule Großlohe gegangen und auf das Gymnasium Hegen in Rahlstedt. Meine Grundschule habe ich neulich einmal besucht. Meinen Eltern und den Lehrern an diesen beiden Schulen bin ich dankbar für Ihre Mühe und das, was sie mir ermöglicht haben. Ich will dass alle Kinder in unserer Stadt solche Möglichkeiten haben.

Vergessen wir auch nicht: Die Eltern und Großeltern eines erheblichen Teils unserer jungen Leute wurden nicht in Deutschland geboren. Wenn wir Ihnen eine gute Bildung und eine gute Zukunft ermöglichen, stellen wir auch sicher, dass unser Hamburg eine gute Zukunft hat.

Beginnen müssen wir schon im Kindesalter vor der Schule. Wir brauchen endlich ein flächendeckendes und pädagogisch einwandfreies Angebot an Kitaplätzen. Und die Gebühren für diese Kitaplätze dürfen auch nicht so hoch bleiben wie sie heute sind. Dass in einer Stadt wie Hamburg, die ohnehin schon mit die höchsten Gebühren von den Eltern der Kinder verlangt, die Gebühren noch einmal erhöht worden sind, ist wirklich jede Aufregung wert. In den Ohren vieler normal verdienender Eltern muss es wie Hohn geklungen haben, als CDU und auch GAL sie zu Besserverdienern gemacht haben.

Und das kann doch auch nicht so bleiben, dass in jeder Talkshow Politiker und Politikerinnen fast aller Parteien ein flächendeckendes kostenloses Betreuungsangebot verlangen, und dann geschieht wie hier in Hamburg das Gegenteil.

Wer eine Erklärung für Politikverdrossenheit sucht, der findet sie hier. Es ist das Auseinanderfallen von Reden und Handeln.

Wir werden die ungerechtfertigte Gebührenerhöhung wieder zurücknehmen. Und wir wollen erreichen, dass das fünfstündige Grundangebot an Kinderbetreuung zukünftig in Hamburg kostenlos ist.

Das wird nicht leicht. Wir werden uns das Geld für diese wichtige Maßnahme Stück für Stück im Haushalt zusammen suchen müssen. Aber wir müssen das tun, auch wenn ganz klar ist, dass mit dieser Verbesserung für die Eltern und Kinder, der Spielraum für weitere haushaltswirksame Verbesserungen in Hamburg nicht mehr sehr groß ist.

Übrigens wird die CDU sagen, es sei in den letzten Jahren doch zu mehr Kitaplätzen gekommen. Stimmt. Aber von alleine ging das nicht. Da gab es eine Volksinitiative für einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, die weit über 100.000 Unterschriften sammelte. Angesichts dieser Menge an Unterschriften hat die CDU, die in den Rechtsanspruch nicht wollte, kapituliert und das Gesetz unverändert in der Bürgerschaft beschlossen. Die drei Initiatoren dieser Volksgesetzgebung hießen: Jutta Blankau, Ties Rabe und Olaf Scholz.
Wir waren das.

Wir müssen uns auch um Hamburgs Schulen kümmern. Allerdings geht es nun nicht mehr um große Strukturreformen. Wie Hamburgs Schullandschaft künftig aussieht, das steht fest.

In der vierjährigen Grundschule gibt es kleine Klassen. Keine Klasse wird mehr als 23 Schüler haben und in vielen Stadtteilen werden es nicht mehr als 19 sein. Das haben übrigens wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten durchgesetzt gegen CDU und GAL. Im Anschluss an die Grundschule können Eltern und Kinder selbst über die weiterführende Schule entscheiden. Auch das Elternwahlrecht haben wir dem schwarz-grünen Senat abverlangt. Und danach gibt es nur noch zwei weiterführende Schulen: das Gymnasium und die Stadtteilschule. Wir haben durchgesetzt, dass auch auf jeder Stadtteilschule das Abitur gemacht werden kann.

Nun kommt es darauf an, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr die Qualität des Unterrichts in Hamburg zu verbessern.

Damit wir die Qualität des Unterrichts verbessern können, müssen wir auch massiv die Zahl der Ganztagsschulen ausweiten, vor allem geht es da um die Grundschulen und Stadtteilschulen.

Wir wollen erreichen, dass möglichst viele Schüler und Schülerinnen gute Abschlüsse erzielen. In einer Stadt wie Hamburg ist es notwendig, dass sehr viele das Abitur erreichen.
Und die Abschlüsse in unserer Stadt sollen jedem Vergleich mit anderen Ländern in Deutschland standhalten.

Eins ist mir aber besonders wichtig: Wir müssen die Zahl derjenigen, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen, dramatisch reduzieren. Und wer einen Hauptschulabschluss hat, der muss damit auch ausbildungsreif sein.
Ich will noch einen Schritt weitergehen: Der Hauptschulabschluss soll ein Mindeststandard allgemeiner Bildung werden, den wir allen Hamburger Jugendlichen vermitteln.

Mindestens so wichtig ist es, dass wir uns in Hamburg mehr um die berufliche Bildung kümmern. Nach wie vor handelt es sich bei der Lehre, dem Berufsabschluss, um die zentrale Qualifikation für das weitere Leben. Auch wenn wir, was richtig ist, die Zahl derjenigen, die studieren, weiter steigern, bleibt der Berufsabschluss für die Mehrheit jeder Generation wichtig.

Wir müssen Ausbildungskapazitäten auch bei staatlichen Ausbildungsberufen erhöhen. Das gilt zum Beispiel für die künftigen Mangelberufe im Bereich von Pflege und Erziehung. Das ist schon merkwürdig, dass trotz des absehbaren Bedarfs, die Ausbildungskapazitäten nicht ausreichend erhöht worden sind. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass nicht so Viele ohne Perspektive in dem so genannten Übergangssystem bleiben und dauerhaft ohne Ausbildung verbleiben.

Wir wollen eine Ausbildung für alle Jugendlichen.

Wir werden in Deutschland und auch in Hamburg nur dann genügend Fachkräfte mit hohen akademischen Qualifikationen gewinnen, wenn wir mit einer Besonderheit des deutschen Bildungssystems Schluss machen. Nämlich mit der Besonderheit, dass kaum jemand ohne eine schulisch erworbene Hochschulzugangsberechtigung studiert. Das wollen wir ändern. Wir wollen alles dafür tun, dass wie in anderen Ländern bis zu 10% der Studierenden  mit einem beruflichen Hintergrund studieren.

Teil der großen neuen Anstrengung für bessere Bildungsmöglichkeiten in unserer Stadt sind die Universitäten. Wir wollen, dass die Universitäten und ihre Ausbildung im bundesdeutschen Vergleich zu den besten in Deutschland gehören. Das geht nicht über Nacht. Das kann man nicht verfügen. Aber die Universitäten Hamburgs sollen wissen: ein sozialdemokratischer Senat wird sie auf diesem Weg unterstützen.

Ein Wort zu den Studiengebühren. Wir haben sie immer abgelehnt. An dieser Haltung ändern wir nichts. Und deshalb wird es auch zu den Aufgaben gehören, einen Weg zu beschreiten an dessen Ende wir diese Gebühren wieder loswerden. Es hat sich eben herausgestellt, dass die Gebühren manche von denen, deren Eltern über nicht viel Geld verfügen, vom Studieren abhalten. Das ist nicht in Ordnung.

Ein großes Thema bewegt viele in der Stadt, weil die Fehlentwicklung überall spürbar ist. Das ist der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Es war eine von der CDU bewusst politisch gewollte Entwicklung, dass in Hamburg der Wohnungsbau zurückgegangen ist. In den letzten zehn Jahren wurden nur halb so viele Wohnungen gebaut wie nötig und wie zuvor.

Wir wollen wieder jedes Jahr 6000 Wohnungen bauen. Von alleine geht das nicht. Da wird es viele geben, die zwar abstrakt die Notwendigkeit weiteren Wohnungsbaus einsehen, aber ihn in ihrer eigenen Nachbarschaft nicht unterstützen. Wir werden genau hinhören und mit allen Bürgern sprechen. Oft haben sie wichtige Argumente, die beachtet werden müssen. Aber von dem Ziel,  Jahr für Jahr die Voraussetzung für 6000 neue Wohnungen zu schaffen, dürfen wir nicht abrücken. Und wir müssen das gemeinsam mit den Bezirken tun und mit ihnen gemeinsam Ziele, Bezirk für Bezirk, festlegen. Damit die Wohnungen auch bezahlbar sind, sollen ein Drittel dieser Wohnungen Sozialwohnungen sein. Es gibt bei diesem Anliegen übrigens weniger um Geld, auch wenn ein allerdings überschaubar höherer Mitteleinsatz nötig ist, sondern vor allem darum, dass die Sache der Mieter in dieser Stadt ein Anliegen für den Senat wird. Bezahlbare Wohnungen sind eine herausragende öffentliche Angelegenheit. Wir kümmern uns darum.

Übrigens werden wir uns auch um die Sicherheit Hamburgs kümmern müssen. Denn auch da ist die Bilanz der CDU-Senate nicht beeindruckend.

Nach anfänglichem Stellenaufbau, wurden wieder Stellen abgebaut. Vor allem an den Polizeikommissariaten gibt es heute nicht genügend Vollzugskräfte. Die Präsenz auf den Straßen hat abgenommen.

Wir hören von brennenden Autos. Und vor allem die Gewalt junger Täter hat erschreckend zugenommen. Aber die altbekannten Konzepte zum Umgang mit Intensivtätern sind nur völlig unzureichend umgesetzt worden. Gerade eben hat der Rest-Senat nach Monaten ein Konzept vorgestellt. Dabei ist doch alles so einfach. Es muss dafür gesorgt werden, dass sich alle beteiligten Behörden austauschen und dass schnell gehandelt wird. Das nennt man gutes Regieren.

Ich garantiere, dass kein Polizeikommissariat  geschlossen wird, wie das in den letzten Jahren der Fall war. Wir werden die Zahl der Polizeivollzugskräfte an den Polizeikommissariaten erhöhen und die unerklärbar gewachsenen Leitungsstäbe reduzieren. Wir werden sicherstellen, dass immer genügend Polizisten neu ausgebildet werden. Es sollen so schnell wie möglich jedes Jahr 250 neue Polizeianwärter eingestellt werden.

Lasst mich noch ein Wort zur Kultur und Kulturpolitik des Senats verlieren. Ganz offen: als stolzer Hamburger habe ich mich geschämt, was der Senat in den letzten Monaten mit dem Ansehen der Stadt und den Hamburger Kulturinstitutionen angerichtet hat.

Gute Kulturpolitik kann nur gelingen, wenn sie von einem Verständnis für die Bedeutung der Kultur für Demokratie und Freiheit und unser Zusammenleben getragen ist. Hochkultur und Off-Szene gehören in Hamburg zusammen. Das alles schafft ein Milieu aus dem heraus Neues gedacht wird und Neues entstehen kann. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen das. Und deshalb sorgen wir für einen Umschwung in der Hamburger Kulturpolitik.

Ich will die Abwärtsspirale der Kulturmetropole Hamburg stoppen. Ich will den Negativtrend von Kürzungen, Streichungen und Schließungen wieder umkehren und  dafür sorgen, dass die Künstler und Kulturschaffenden mitsamt ihren Einrichtungen eine verlässliche Planung und auskömmliche Finanzierung vorfinden. Wir werden Hamburg wieder zur Kulturmetropole ausbauen.

Dazu werden wir den Dialog mit den Kulturschaffenden fördern. Wir schätzen die Künstler und Kulturschaffenden und ihre Bedeutung für die Stadt und begrüßen es ausdrücklich wenn Künstler Konflikte, Brüche, Kritik thematisieren, formulieren und auf Punkt bringen.

Und übrigens werden wir auch dafür sorgen, dass das Versprechen der CDU-Senate, dass der Bau der Elbphilharmonie keine Folgen für die übrigen Hamburger Kultureinrichtungen haben wird, auch eingehalten wird.

Hamburg wird im nächsten Jahr Umwelthauptstadt sein. Auch wenn man den Eindruck nicht losgeworden ist, dass es bei diesem Titel mehr um PR als um substantielle Veränderung geht, verbindet sich mit dem Titel ein Auftrag. Und keiner soll denken, dass uns Umweltschutz und Klimapolitik nicht wichtig wären. Das wäre für die meisten von uns schon biografisch nicht richtig. Schließlich gehören zu meiner Jugend in den siebziger Jahren die beiden Berichte an den Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“  und die „Menschheit am Wendepunkt“.

Wie viele andere damals auch habe ich gegen die Atomkraftwerke um Hamburg herum protestiert. Es war deshalb ein besonderes Ereignis, dass ich als Bundestagsabgeordneter die Gesetze über den Ausstieg aus der Atomenergie mit beschließen konnte. Es ist ein großer politischer Fehler, dass nunmehr der bereits erreichte Konsens über den Atomausstieg von der schwarz-gelben Bundesregierung rückgängig gemacht wird.

Ich werde dafür sorgen, dass Hamburg sich an einer Klage anderer Länder gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg beteiligt.

Um die Energiewende voranzubringen müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass die Verteilnetze für Strom, Gas, Wärme auf die künftigen Herausforderungen vorbereitet werden. Damit das gelingt macht es Sinn, dass Hamburg wieder einen strategischen Anteil an den Netzen erwirbt, also wenigstens 25,1 %. Wir haben nach sorgfältiger Debatte mit den Betriebsräten und Geschäftsleitungen, kommunalen Vereinigungen, der Bürgerinitiative für die Kommunalisierung dieser Netze und vielen Experten einen solchen Vorschlag entwickelt.

Die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs ist gut für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs und den Klimaschutz. Wir wissen, dass es notwendig ist, große Siedlungen besser mit öffentlichem Nahverkehr zu erschließen. Wir wissen, dass es notwendig ist, den schienengebundenen Nahverkehr auszuweiten. Nicht zufällig war deshalb bereits vor zehn Jahren die Planung für eine Stadtbahn weit fortgeschritten. Heute stellen sich aber angesichts der aktuellen Pläne neue Fragen: können wir uns den Aufwand für einen neues zusätzliches Netz leisten? Macht die geplante Strecke Sinn? Solange diese Fragen nicht positiv beantwortet werden können, kann die Stadtbahn auch nicht gebaut werden. Und eins ist aus meiner Sicht völlig klar: gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger kann eine Stadtbahn nicht gebaut werden.

Übrigens: Ich bin ein Anhänger von Volksentscheiden. Die Politik wird durch sie besser. Schon deshalb, weil sie Parteien und Politiker vor Übermut bewahrt. Wer sich über den erkennbaren Willen der Bürgerinnen und Bürger hinwegsetzt, der muss damit rechnen zu stolpern.

Hamburg ist ein Stadtstaat. Wir sind eines der 16 Länder in Deutschland. Hamburg hat damit ganz besondere Möglichkeiten. Weil Hamburg Gemeinde und Staat zugleich ist, können wir eigene Wege gehen, um auf die Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren. Wir müssen nicht auf die ganze Bundesrepublik Deutschland warten. Wir können die Probleme einer deutschen Metropole eigenständig in Angriff nehmen.

Ich bekenne mich ausdrücklich zum Föderalismus. Und ich sage auch: Wir wollen unsere Möglichkeiten nutzen.

Und wir wollen die bequemen Ausreden der Politik nicht gelten lassen. Dass man ja nichts machen könne, weil der Bund, weil ganz Deutschland etwas tun müsse. Dass man ja nichts machen könne, weil immer mehr in der Europäischen Union entschieden werde. Dass man ja nichts machen könne, weil wir ohnmächtig die Auswirkungen der Globalisierung zu spüren bekämen.

Wir können ganz schön viel bewirken. Und ich will dass wir uns an die Arbeit machen.

Hinter uns steht eine große Tradition über weite Strecken erfolgreicher sozialdemokratischer Senatspolitik. Hinter uns stehen die Leistungen sozialdemokratischer Bürgermeister. Das ist uns Erbe und Verpflichtung zugleich.

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