Flüchtlingspolitik in Europa

SchäferDie Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat wie in ganz Europa auch viele Hamburgerinnen und Hamburger zutiefst erschüttert. Das Unglück hat auf drastische Weise deutlich gemacht, dass die gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik kritisch hinterfragt werden muss. Der Schutz der EU-Außengrenzen und die diesbezügliche Koordination durch Frontex müssen gewährleisten, dass das Recht auf Asyl und die Pflicht zur Seenotrettung umfassend geachtet werden.

Für eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik sind sowohl eine solidarische Verantwortungsteilung, als auch die Einhaltung vereinbarter Verpflichtungen durch jeden Mitgliedsstaat elementare Voraussetzungen, die es auf EU-Ebene einzuhalten, aber gegebenenfalls auch mit Unterstützung der EU durchzusetzen gilt. Dem im Jahr 2010 geschaffenen Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) kommt hierbei eine große Bedeutung zu – genauso wie dem bisherigen Programm “Solidarität und Steuerung der Migrationsströme” (SOLID) der Europäischen Union, das unter anderem den EU-Flüchtlingsfonds umfasst.

Ende Oktober hat die FDP-Fraktion den Antrag „Die gemeinsame europäische Verantwortung leben – Zuständigkeiten für die Flüchtlingsaufnahme in Europa endlich fair regeln“ (DRS 20/9691) in die Bürgerschaft eingebracht. Hierin ersucht sie den Senat, sich mit einer Bundesratsinitiative für die Einführung eines europaweiten Schlüssels nach Vorbild des Königsteiner Schlüssels zur Verteilung der Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen einzusetzen. Die bisherige Bundesregierung unter FDP-Beteiligung hat aber erst vor kurzem der neuen EU-Dublin-III-Verordnung zugestimmt. Warum die Liberalen nun auf Länderebene mit ganz anderen Vorstellungen daherkommen, verwundert mich, gelinde gesagt sehr. Weder den Flüchtlingen, noch den als belastet geltenden EU-Ländern wäre hiermit geholfen. Eine Verteilung nach dem Königssteiner Schlüssel würde zur Folge haben, dass unter anderem Deutschland Flüchtlinge an andere Mitgliedstaaten abzugeben hätte, wohingegen „belastete“ Länder mehr Flüchtlinge aufnehmen müssten. Zudem ist eine tatsächliche quotenabhängige Verteilung von Asylantragstellern im Verfahren sowohl in bürokratischer als auch in finanzieller Hinsicht kaum realisierbar.

Außerdem hat Hamburg nur begrenzte Einflussmöglichkeiten auf Reformen der europäischen Flüchtlingspolitik. Was wir aber tun können, ist den Menschen hier vor Ort ganz konkret zu helfen – und genau das leisten wir auch. Gerade in diesen Wochen stellt Hamburg sich in besonderem Maße seiner humanitären Verantwortung. Überall entstehen angesichts der stetig wachsenden Flüchtlingszahlen neue Unterkünfte, was gerade für einen Stadtstaat wie Hamburg eine große Herausforderung bedeutet. Darüber hinaus haben wir, anders als die meisten Bundesländer, Flüchtlinge mit Aufenthaltsperspektive explizit in unser Integrationskonzept aufgenommen. Flüchtlinge können in Hamburg an Integrationskursen teilnehmen und außerdem hat Hamburg als einziges Bundesland einen Fonds für die medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere. Schließlich setzt sich der Senat auf Bundesebene für eine bessere Bleiberechtsmöglichkeit gut integrierter Jugendlicher sowie ein altersunabhängiges Bleiberecht bei nachhaltiger Integration ein.

Die afrikanischen Flüchtlinge aus Libyen, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Thema in unserer Stadt waren, haben wie alle anderen Flüchtlinge auch den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Die Zusage der Stadt, jeden einzelnen Fall entlang des individuellen Flüchtlingsschicksals sorgfältig zu prüfen, gilt nach wie vor. Und bisher haben sich rund 25 Männer der sogenannten Lampedusagruppe freiwillig beim Einwohner-Zentralamt gemeldet. Für mich ist es kein Widerspruch, sich auf europäischer Ebene für Veränderungen bei der Flüchtlingspolitik einzusetzen und gleichzeitig vor Ort die aktuell geltende Rechtslage anzuwenden.

von Martin Schäfer, stellv. Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion

 

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