Heute Grünkohl – morgen Ministerpräsident

Jacob (22) und Torsten (48) haben exzellente Aussichten. Der eine – Jacob – ist soeben in die SPD eingetreten. Torsten – der andere – tritt an. Er will nächstes Jahr der neue Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werden. Warum die beiden so gute Aussichten haben? Weil sie dabei waren, als die SPD Eimsbüttel wieder zum gemeinsamen Grünkohlessen eingeladen hatte.

Dieses traditionelle Mahl – es wurde nun im vierzehnten Jahr ausgerichtet – hatte schon viele Gäste und Redner. Und allen hat es gut getan: Manuela Schwesig, zum Beispiel. Als die Einladungen zum Grünkohl im Oktober 2009 in die Post gingen war Manuela Landesministerin in Schwerin, im Dezember 2009 kam sie als frischgebackene Stellvertretende Bundesvorsitzende an die vorzügliche Eimsbütteler Grünkohlplatte. Oder nehmen wir Andrea Nahles. Vor dem Eimsbüttel-Kohl noch nicht in Spitzenfunktionen, wurde sie später Generalsekretärin. Unser österreichischer Parteifreund Alfred Gusenbauer wäre ohne Grünkohlstärkung kaum das geworden, was er bis Ende 2008 war: Bundeskanzler von Österreich!

Torsten Albig hatte dieses sicher im Kalkül, als er als Stargast des 2011er Grünkohlessens in den feinen „Club an der Alster“ kam. In seiner Rede vor 160 Genossinnen und Genossen aus allen acht Distrikten skizzierte er den Weg zu einem Politikwechsel in Schleswig-Holstein.

Torsten sparte nicht mit Komplimenten an uns Hamburger Genossen: Auch wenn man sich eine absolute Mehrheit wie in Hamburg nicht zu erträumen wage, so sei der Hamburger Wahlsieg vom Frühjahr ein Vorbild für die Genossen weiter nördlich in Form wie Inhalt. Torsten betonte, dass es nicht nur die Geschlossenheit der Partei sei, die zum Erfolg führe. Es gehe darum, wirtschaftliche Vernunft mit sozialem Ausgleich zu verbinden. „Und das können nur Sozialdemokraten!“, so Torsten Albig, unter beifälligem Nicken der Anwesenden.

Torsten Albig kritisierte, dass heute europaweit „Politiken“ vielfach nur noch als Technokratentum angeboten würden. Als Beispiel nannte er eine kurzsichtige Politik, die eine Milliarde Schulden verhindern will, indem sie „per Excel-Tabelle“ die Milliarde durch die Jahresgehälter von Lehren teilt – die bloße Stellenstreichung von Lehrern sei aber alles andere als „sparsam“. Denn die Folgekosten von sozialen Fehlentwicklungen seinen enorm. Man müsse kein „Gutmensch“ sein, um sozial zu denken. Es gehe darum, langfristig zu denken und zu arbeiten. Das sei sozialdemokratisch! So müsse man in Menschen und Infrastrukturen zu investieren. Voraussetzung sei allerdings, zunächst genau hinzugucken und den Menschen zuzuhören. Erst dann seien Entscheidungen gut begründet – und zu begründen.

Eindrucksvoll sein Appell, über die Landesgrenzen hinweg zusammen zu arbeiten. Die Debatte um den „Nordstaat“ sei ja sehr theoretisch. Würde er ohne die tatsächliche Vorgeschichte Deutschland neu zeichen, wäre Hamburg sicher die Landeshauptstadt eines Nordlandes. – Ein bemerkenswertes Bekenntnis eines nicht Hamburgischen Landespolitikers! Realität sei jedoch, dass wir in einer Metropolregion leben, die über die Landesgrenzen hinweg geht. Wohlstand und Wachstum in Hamburg wie in Schleswig-Holstein würden sich nur gemeinsam entwickeln können. Er freue sich auf eine enge Zusammenarbeit mit Olaf Scholz und den Hamburgern. Die Anwesenden, darunter auch die Bürgermeister a.D. Peter Schulz und Ortwin Runde, applaudierten herzlich.

Und Jacob? Er war am selben Tage in die SPD Eimsbüttel eingetreten. Er ging guter Dinge nach Hause, das Essen hatte geschmeckt, der Schnaps auch. Er hat gleich etliche Leute kennengelernt. Und dass er für sein Politikstudium gerne einige Praktika in der Politik machen würde, wurde mit Wohlwollen vernommen. „Das kriegen wir hin“, hieß es von vielen Seiten in Partei und Parlament. Wie gesagt: Auch Jacobs Aussichten sind exzellent. Und für alle anderen war es ein schöner, geselliger Abend, und lecker war es obendrein. Dank an die Organisatoren!

Autor: Rolf Deckena

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